Eine bissige und verfilmte Satire: Die Ehefrau

„Jeder weiß, wie Frauen unermüdlich weitermachen, wie sie Pläne entwickeln, Rezepte, Ideen für eine bessere Welt, die sie dann manchmal auf dem Weg zum Gitterbett mitten in der Nacht, zur Drogerie oder ins Badezimmer verlieren. Sie verlieren sie, während sie ihren Ehemännern und ihren Kindern den Weg ebnen, auf dem diese glücklich durchs Leben gehen.“

Irgendwo über dem Atlantik. Der gefeierte Schriftsteller Joe Castleman und seine Ehefrau Joan sitzen im Flugzeug – auf dem Weg zur Krönung seines Lebenswerks: der Verleihung des Helsinki Literaturpreises. Während er sein Ego genießt, beschließt sie, ihren Mann zu verlassen und sich nach vierzig Ehejahren scheiden zu lassen. All die Zeit hat Joan ihren Mann bedingungslos unterstützt – bis zur Selbstaufgabe. Und nun resümmiert sie ihre gemeinsamen Jahre und setzt sich dabei schonungslos mit ihrer Ehe, ihrem Familienleben, dem Literaturbetrieb, dem Schriftstellerdasein sowie getroffenen oder nicht getroffenen Entscheidungen auseinander.

Schon über ein Jahr ist es her, dass ich das Buch „Die Ehefrau“ von Meg Wolitzer gelesen habe. Irgendwie ist es unter dem Stapel meiner noch zu rezensierenden Bücher verschollen und nun nehme ich seine Verfilmung zum Anlass, den Roman endlich zu besprechen . Die Verfilmung „Die Frau des Nobelpreisträgers“ ist ein schwedisch-amerikanisches Filmdrama, das seit Anfang Januar in den deutschen Kinos läuft. Ich habe den Film noch nicht gesehen, aber seine Romangrundlage kann ich euch durchaus ans Herz legen.

Mit Meg Wolitzer verbindet mich ohnehin eine besondere Beziehung, da ihr Roman „Die Interessanten“ mich damals zum Bloggen brachte. „Die Ehefrau“ fand ich persönlich zwar nicht ganz so packend wie „Die Interessanten“, aber dennoch sehr lesenswert. Die Autorin wirft in all ihren Romanen stets einen treffenden, und oftmals ironischen Blick auf die amerikanische Gesellschaft. So auch in „Die Ehefrau“. „Bissige Abrechnung mit männlicher Egozentrik“ titelte der Deutschlandfunk in seiner Rezension. Und tatsächlich ist der Roman ein feministisches Werk, dass einigen Männern wohl den Spiegel vorhält. Ich hoffe und glaube, in der heutigen Zeit nicht mehr ganz so vielen Exemplaren wie in den 60er Jahren, als Joan ihren Mann kennen und lieben lernte.

„Jede Ehe besteht aus zwei Menschen, die einen Handel eingegangen sind“, sagt Joe Castleman. Und seine Ehefrau begreift nach dieser langen Zeit, dass dieser Handel irgendwie unvorteilhaft für sie war. Dass sie auf ein eigenes Leben, dass sie auf Glück verzichtet hat – um den Platz an der Sonne frei zu lassen für ihren egozentrischen Gatten, aber auch aus Loyalität und Familiensinn heraus. Vier Jahrzehnte mussten vergehen, bis sie begriff, dass sie sich selbst und auch ihren Kindern keinen Gefallen damit getan hat, durchzuhalten in einer Ehe, die es nicht wert war durchzuhalten.

„Wenn du so unglücklich bist“, sagte meine Tochter sanft, „warum verlässt du ihn dann nicht, Mom?“ Ach, mein liebster Schatz, hätte ich sagen können, das ist eine gute Frage. In ihrer Weltsicht wurden unglückliche Ehen einfach aufgelöst, abgebrochen wie ungewollte Schwangerschaften. Sie wusste nichts, von jener Subkultur der Frauen, die einfach dablieben, Frauen, die ihre Loyalität nicht logisch erklären konnten, die sich festklammerten, weil es das Verhalten war, das ihnen am vertrautesten war, mit dem sie sich am wohlsten fühlten. Sie begriff den Luxus des Bekannten nicht: dasselbe Stück Rücken, das unter der Bettdecke hervorragte, das Haarbüschel, das aus dem Ohr wuchs. Der Ehemann. Eine Figur, zu der es einen nie hinzog, die einen emotional kaum berührte, neben der man einfach herlebte, während die Jahreszeiten wechselten, sich auftürmten wie Ziegelsteine, auf die man Mörtel in dicken Schichten geklatscht hatte.“

Der Roman wirft tiefe Einblicke in die verborgenen Abgründe einer Ehe, die nach außen hin so perfekt scheint. In gedanklichen Rückblenden erfahren die Leser, was genau zu Joans Entschluss führte, diesem Schein ein Ende zu setzen. Und so leben wir auf 270 Seiten Joans Leben, erfahren welche Träume sie als junges Mädchen hatte und welche Ziele als Studentin, begleiten sie auf ihrem Weg ins Erwachsenen-Dasein, sehen zu, wie sie ihren Mann kennenlernt, ihre Kinder aufzieht, auf Empfänge und Lesungen geht, die Welt bereist – wie sie ihr Leben als Gattin eines bekannten Schriftstellers führt.

Ich liebe ja ohnehin Bücher, die sich mit dem Schreiben und dem Literaturbetrieb auseinander setzen. In „Die Ehefrau“ wirft Wollitzer einen leicht satirischen Blick darauf und gleichzeitig auf die Stellung der Frauen in der Literatur, die – auch heute noch unterrepräsentiert bei Preisverleihungen – damals kaum einen Platz im Literaturbetrieb fanden. Und ich mag ganz einfach den lockeren, bissig humorvollen Schreibstil der Autorin.

„Wo auch immer er hinging, lagen Lorbeerkränze, die unter seinen Schritten raschelten und brachen, und sich windende Weinranken und Blätter, auf denen er sich zufrieden ausstrecken konnte.“

„Die Ehefrau“ ist also ein satirisch feministisches Buch, das sich mit dem Ehebild der vergangenen Jahrzehnte auseinander setzt. Ein Werk, dass das Bild der klassischen Familie in Frage stellt, in der der Mann der Versorger ist und die Frau ihm den Rücken frei hält ohne sich selbst zu entfalten. Ein Buch, das menschliche Schwächen aufdeckt – zugegeben, die männlichen mehr als die weiblichen – und die psychologischen Abgründe einer unerfüllten, gelangweilten Ehe sowie eines nicht geglückten, gewollt perfekten Familienlebens.

Ich hätte mir etwas mehr noch eine Reflexion der Protagonistin gewünscht in ihrer Rolle als Ehefrau. Großartig fand ich allerdings, auf welche Art Meg Wollitzer die Beziehung zwischen den Eltern und ihren Kindern seziert: den Zwiespalt, sein eigenes Leben zu leben, seine eigenen Bedürfnisse zu befriedigen und dem Wunsch, für seine Kinder immer bedingungslos da sein zu wollen, ihnen alles zu geben – und wie die Eltern dabei sowohl auf der einen wie auch auf der anderen Seite der Medaille scheitern. Denn nicht nur die Tochter, auch der Sohn führen nicht das Leben, das die Eltern sich für sie gewünscht hätten – und beide haben unter der mangelnden Aufmerksamkeit des Vaters gelitten.

„Meine Tochter war eine Frau, die von ihrem Vater enttäuscht worden war. In ihrem Töpferkurs hatte sie im Laufe der Jahre zahlreiche Tongefäße für Joe hergestellt, ein nicht endender Strom von Keramik, im Versuch, seine Aufmerksamkeit zu gewinnen. Seine Liebe hatte sie bereits; Liebe war einfach. Aufmerksamkeit war etwas ganz anderes, und wie hätte sie die je bekommen sollen? Sie war keine Sexualpartnerin. Sie war keine Kollegin. Sie war kein Buch.“

oder

„Ich wusste, dass Söhne oft Wut auf ihren Vater empfinden. Ich hatte Arthur Miller und die kanonischen griechischen Tragödien gelesen. Ich konnte mir den klassischen, übermächtigen Vater und den Sohn mit den unbefriedigten Urbedürfnissen ausmalen. Ich konnte mir denken, wie der Sohn im Laufe der Jahre langsam einfriert und der Vater erst dann allmählich aufzutauen beginnt, wenn es längst zu spät ist; der Schaden ist angerichtet, und der Sohn sagt: „Sorry, Paps“, wendet sich ab und lässt den alten Mann wimmernd und zusammengekauert in seinem Ohrensessel zurück.“

Geschrieben hat die Autorin den Roman bereits Anfang der 2000er. Er erschien in der Originalfassung im Jahr 2004. Die deutsche Übersetzung ließ also lange auf sich warten. Ich kann nur empfehlen, dieses Buch zu lesen (am besten bevor ihr ins Kino geht ) Bei den Golden Globe Awards wurde übrigens Glenn Close als beste Hauptdarstellerin ausgezeichnet. Mal sehen, ob der Film auch bei den Oscars abräumt.

Der erste Satz

„In dem Augenblick, in dem ich beschloss, ihn zu verlassen, in dem Augenblick, in dem ich dachte: Es reicht, befanden wir uns zehntausend Meter über dem Meer; wir rasten vorwärts und erweckten doch äußerlich den Anschein von Ruhe und Gelassenheit.

Buchinformationen

Die Ehefrau von Meg Wolitzer, Hardcover, September 2016, Dumont Buchverlag. 270 Seiten, 23,00 Euro. Originaltitel „The Wife“ erschienen im April 2004 bei Scribner. Übersetzung Stephan Kleiner. Auch als Taschenbuch erhältlich.

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Über die Autorin

Meg Wolitzer, geboren 1959, veröffentlichte 1982 den ersten von zahlreichen preisgekrönten und erfolgreichen Romanen. Viele ihrer Bücher standen auf der New-York-Times-Bestsellerliste. Bei DuMont erschienen der SPIEGEL-Bestseller ›Die Interessanten‹ (2014) sowie ›Die Stellung‹ (2015) und zuletzt ihr Roman ›Die Ehefrau‹ (2016), der mit Glenn Close in der Hauptrolle verfilmt wurde. Meg Wolitzer ist verheiratet, hat zwei Söhne und lebt in New York City.“


Genre: Belletristik, Gegenwartsliteratur, Roman
Subjects: Affäre, Beruf, Bücher, Ehe, Familie, Glück, Kinder, Leben, Lebenswege, Leidenschaft, Liebe, Schreiben, Selbstverwirklichung, Traum, USA

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