Ein Buch lässt mich ratlos zurück – Gut gegen Nordwind

Mmh, mmh, mmh… Ich sitze vor den Tasten und weiß einfach nicht was ich schreiben soll. Mit „Gut gegen Nordwind“ hat Daniel Glattauer die hoch gelobte Version eines Briefromans geschrieben, der Eingang ins Theater gefunden hat und im Jahr 2006 sogar für den Deutschen Buchpreis nominiert war. Die Rezensionen bei Amazon & Co überschlagen sich vor Begeisterung und zwei ganz liebe Freundinnen haben mir das Buch wärmstens empfohlen. Aber hat mir das Buch gefallen? Ich kann es weder mit einem klaren ja, noch mit einem nein beantworten. Aber fangen wir ganz von vorne an…


Emmi Rothner möchte ein Zeitschriftenabo kündigen und landet durch einen Tippfehler mit ihrer E-Mail, statt in der Like-Redaktion, bei Leo Leike. Zwischen den beiden entwickelt sich ein ungewöhnlich intensiver Gedankenaustausch, wie man ihn wohl nur mit einem Unbekannten führen kann, dem man noch nie ins Gesicht geblickt hat. Die beiden kommen sich über Monate hinweg virtuell näher, vertrauen sich ihre Sehnsüchte an und irgendwann steuern sie unausweichlich auf eine Entscheidung zu, die es zu treffen gilt: Sollen sie sich begegnen? Würden sie einander gefallen? Wären sie sich auch im wahren Leben so nah? Doch es ist nicht nur die Angst, ein Treffen könnte ihren Gefühlen nicht standhalten, die sie zögern lässt – denn Leo, der gerade erst eine verkorkste Beziehung hinter sich hat, erfährt dass Emmi glücklich verheiratet ist.

Wer meinem Blog folgt, wird mitbekommen haben, dass ich gerade eine Leseflaute durchmache – wohl die erste in meinem Leben. Viele Bücher habe ich angefangen, alle abgebrochen oder unterbrochen weil sie mich nicht fesseln konnten. Irgendwie hatte ich meine Lust verloren, ein Buch aufzuschlagen. Um aus meinem Tief heraus zu kommen, war ich auf der Suche nach DEM Buch. Ein Buch, das es schafft mich bei der Stange zu halten. Und was soll ich sagen: irgendwie hat es Daniel Glattauer geschafft. „Gut gegen Nordwind“ habe ich in einem Rutsch durchgelesen. Als ich es aufschlug war mein erster Gedanke: „Oh nein, der Roman besteht ja nur aus E-Mails“ – eigentlich so gar nicht mein Ding. Aber ich muss meine Meinung zu „Briefromanen“ revidieren: das Buch liest sich flüssig, macht neugierig und hält seine Leser bei der Stange. Man brennt darauf zu erfahren, wie die Geschichte von Emmi und Leo ausgeht. Ich wollte wissen: wird Emmi ihren Mann betrügen? Warum steigert sie sich so in diesen Kontakt hinein? Ist sie einsam? Ist sie noch auf der Suche nach ihrem Seelenverwandten? Sucht sie nur den Reiz des Neuen? Der Roman ist keine klassische Liebesgeschichte und kommt ohne jeden Kitsch aus. Er ist sozialkritisch, authentisch (von einigen Ausnahmen abgesehen), irgendwie tragisch – und stimmt einen nachdenklich, denn der Roman ist eindeutig eines: realistisch.

„Schreiben ist wie Küssen, nur ohne Lippen. Schreiben ist Küssen mit dem Kopf.“

Und dennoch: nachdem ich die letzte Seite gelesen und das Buch beiseite gelegt hatte, fing ich an zu hinterfragen was ich gelesen hatte. Ganz klar: irgendetwas hatte mich gepackt und mich Seite für Seite ohne Unterbrechung umblättern lassen. Ist es nicht das, was wir uns alle von einem Buch erhoffen und was ein gutes Buch ausmacht? Und trotzdem: hatte mir das Buch wirklich gefallen? Gut, die Dialoge sind schlagfertig mit einer Prise Humor, aber waren sie nicht stellenweise auch ziemlich nervig? Hatte das Buch nicht auch seine Längen? Hatte ich mich nicht über die aufmerksamkeitssüchtige, wankelmütige Emmi tausendfach aufgeregt? Wie fand ich das abrupte Ende? Fragen, die mich in meiner Rezension wanken lassen. Eines kann ich definitiv ankreiden: den Charakteren fehlt es mir an Tiefe. Auch wenn Emmi und Leo immerfort über ihre Gefühle schreiben, kommt ihr Innerstes doch nicht so richtig bei mir an. Die Beiden drehen sich ständig im Kreis und immer wieder wird die Frage diskutiert, ob sie sich denn nun treffen sollen oder lieber nicht. Das nervte dann doch irgendwann und auch für den Charakter Emmi Rothner konnte ich mich nicht so richtig erwärmen.

Das Buch lässt mich ehrlich gesagt ratlos zurück. Für manche Details möchte ich 5 Sterne vergeben, für andere Stellen wiederum nur 2 Sterne. Es handelt sich hier um ein Buch, für das man keine allgemeingültige Empfehlung abgeben kann. Vielleicht kann ich aber auch nach 1,5 Jahren Literaturblog einfach keinen leichten Schmöker mehr lesen, ohne jedes Detail kritisch zu hinterfragen? Ohne das Haar in der Suppe zu suchen? Volker Hage vom Spiegel hat von einer der „zauberhaftesten und klügsten Liebesdialoge der Gegenwartsliteratur“ gesprochen. Das halte ich persönlich für ziemlich übertrieben. Aber alles in allem ist es ein unterhaltsames Buch für zwischendurch, das in mir schon die Lust geweckt hat zu erfahren, wie es mit Emmi und Leo weiter geht – und das es geschafft hat meine Leseunlust zu besiegen. Allein dafür gebühren ihm seine 4 Sterne – und daher liegt auch die Fortsetzung „Alle sieben Wellen“ schon auf meinem Nachttisch bereit.

Übrigens: Das Hörbuch soll hervorragend sein mit Andrea Sawatzki und Christian Berkel als Emmi und Leo, erschienen bei Hörbuch Hamburg.

Der erste Satz

„15. Jänner
Betreff: Abbestellung
Ich möchte bitte mein Abonnement kündigen. Geht das auf diesem Wege?“

Buchinformationen

Gut gegen Nordwind von Daniel Glattauer, Taschenbuchausgabe, erschienen im August 2008 im Wilhelm Goldmann Verlag, 224 Seiten, 9,99 Euro. Originalausgabe: erschienen 2006 bei Deuticke (Hanser Literaturverlage).

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Über den Autor

„Daniel Glattauer, 1960 in Wien geboren, wurde durch seine Kolumnen bekannt, die er als Journalist für die Tageszeitung Der Standard schrieb. Mit den beiden E-Mail-Romanen Gut gegen Nordwind und Alle sieben Wellen gelangen ihm zwei Bestseller, die auf der ganzen Welt gelesen werden und auch als Hörspiel, Theaterstück und Hörbuch erfolgreich sind.“


Genre: Belletristik, Gegenwartsliteratur, Liebesroman, Roman
Subjects: E-Mail, Ehe, Einsamkeit, Familie, Freundschaft, Leidenschaft, Liebe, Schicksal, Sehnsucht

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