Achtsamkeit: Was zählt ist nur das JETZT – Reise zum Benediktushof
Es war bereits meine dritte Reise zum Benediktushof in Holzkirchen und es wird bestimmt nicht die letzte sein. Alles fing vor etwa zwei Jahren an, in einer Zeit, als es mir nicht so richtig gut ging. Ich trug einige Erlebnisse mit mir herum, die dazu führten, dass ich irgendwann unter Panikattacken und Verlustängsten litt. Ich bemerkte, dass ich mir immer mehr Sorgen um die Zukunft machte und immer weniger im Hier und Jetzt lebte. Ich bin ein sehr lebensfroher Mensch und hatte irgendwann den Punkt erreicht, an dem mir klar wurde: ich muss jetzt irgendetwas unternehmen, damit das auch so bleibt und ich mich nicht von meinen Horrorvisionen im Kopf vereinnehmen lasse. Der Mann meiner Freundin gab mir den Tipp, es mit Meditation und Achtsamkeit zu versuchen und so führte mich mein Weg zum ersten mal in den Benediktushof, um eine Einführung in die Zen-Meditation zu wagen.
Damals habe ich einen – zugegebenermaßen sehr ausführlichen – Blogbeitrag darüber geschrieben. Ich wollte die Erfahrung für mich selbst aufarbeiten und anderen Mut machen, die vielleicht auch diesen Weg gehen möchten. Wer mag, kann hier nochmal meine Zen-Erfahrungen im Benediktushof nachlesen. In dem Beitrag erfahrt ihr auch ein bisschen was über die Gründe, die mich dorthin geführt haben und einiges zur spirituellen, bzw. nicht-spirituellen Ausrichtung und den Tagesabläufen im Benediktushof.
Der Benediktushof ist ein wunderschöner Ort der Ruhe. Die Meditationsräume, die Gärten, die Kapelle, der Buchladen, die Menschen – alles strahlt Gelassenheit und Frieden aus und verschafft Körper und Seele fast automatisch eine Atempause. Schön finde ich, dass das alte Kloster heute den spirituellen Weg zweier großer Weltreligionen vereint: die christliche Kontemplation und die buddhistische ZEN-Meditation – dabei aber überhaupt nicht die Religion an sich eine Rolle spielt, sondern nur die Achtsamkeit, die beiden Wegen gemein ist. Daher ist es auch völlig egal, welcher Religion man angehört oder ob man überhaupt an irgendetwas oder irgendjemanden glaubt.
Mir hat diese Erfahrung im Benediktushof für mein Leben und meine Ängste sehr sehr viel geholfen – mehr als ich in Worte fassen kann. Mir geht es wieder prima – und seitdem versuche ich – mal mehr und mal weniger – am Ball zu bleiben. Ich integriere immer mal wieder achtsame Elemente in meinen Alltag – ob beim Essen, beim Autofahren oder im Zusammensein mit meinem Sohn. Ich versuche auch, möglichst oft zu meditieren und präsent zu sein. Wenn ich früher von Meditation gehört habe, hatte ich langhaarige Hippies im Lotussitz oder den Dalai Lama im Kopf. Heute habe ich meine Vorurteile gründlich revidiert. Gerade in unserer schnelllebigen, fordernden Welt geht Achtsamkeit immer mehr verloren. Wir haben morgens schon den ganzen Tag im Kopf: Termine, To Do-Listen und Erwartungen an uns und sind bei jeder erledigten Aufgabe gedanklich schon beim nächsten Schritt. Viel zu selten nehmen wir uns die Zeit, uns voll und ganz auf diesen einen Moment einzulassen und erleben dadurch alles nur auf Sparflamme. Ich für meinen Teil möchte das nicht. Ich will voll und ganz da sein – soweit das eben in unserer Welt möglich ist. Besonders die Momente mit meinem Kind möchte ich achtsam genießen. Zur Achtsamkeit gehört für mich persönlich auch, mehr auf meine Gesundheit zu achten, Sport zu treiben, mich gesünder zu ernähren und bewusst zu genießen.
Natürlich gelingt mir das alles im Alltag nicht immer so konsequent wie ich es eigentlich gerne möchte. Ich bin ein Genussmensch und neige immer wieder zur Diziplinlosigkeit :-)) . Und es überkommt mich auch mal der Alltagsstress. Aber selbst wenn ich in alte Muster verfalle, lerne ich, auch das anzunehmen und trotzdem weiter zu machen. Um mir selbst regelmäßig Impulse zu geben und am Thema dran zu bleiben, besuche ich außerdem einmal jährlich einen Achtsamkeitskurs. Im ersten Jahr war es ZEN, im letzten Jahr ein Yoga-Kurs. Dieses Jahr war es der dreitägige Einblick in einen MBSR-Kurs, der meine Wahrnehmung und meine Achtsamkeit schulen sollte.
MBSR ist ein von Jon Kabat-Zinn in den USA entwickeltes, achtwöchiges Programm zur achtsamkeitsbasierten Stressbewältigung. Für das Programm hat Zinn die wirksamsten Elemente aus verschiedensten Bereichen zusammengeführt: Yoga aus der hinduistischen Tradition, Sitz- und Gehmeditationen aus der buddhistischen Zen- oder Vipassana-Tradition, aber auch körpertherapeutische und körperpsychotherapeutische Methoden. Soviel vorweg: mein zweitägiger Einblick in einen solchen Kurs hat sich definitiv gelohnt. ABER: es war wirklich wahnsinnig anstrengend. Hier die Shortfacts, welche Elemente beim MBSR-Einblick eine Rolle spielten:
- das achtsame Ausführen von Bewegung – zum Beispiel im Rahmen einer „Gehmeditation“ oder anderer Bewegungsübungen. Also im Prinzip: einen Schritt vor den anderen setzen und sich ganz und gar aufs Gehen oder einen anderen Bewegungsablauf konzentrieren.
- die achtsame Wahrnehmung des eigenen Körpers in Form einer geführten Körperreise, in der man den Fokus jeweils auf bestimmte Körperregionen lenkt (sogenannter Body-Scan).
- das achtsame Sitzen in Stille und die Konzentration auf den eigenen Atem, die sogenannte „Sitzmeditation“, die ich ja auch schon bei meiner Einführung in die ZEN-Meditation kennen gelernt hatte. Hier war sie allerdings geführt, dass heißt der Seminarleiter hat während der Meditation gesprochen und die Konzentration dadurch auf bestimmte Bereiche gelenkt.
- das Training von Achtsamkeit in kurzen 3-Minuten-Übungen, um kurz im Hier und Jetzt innezuhalen und sich selbst im Alltag eine Atempause zu verschaffen (sog. Breathing-Space).
Dazwischen gab es auch immer wieder gruppendynamische, spielerische Übungen, die für mich seeehr gewöhnungsbedürftig und echt schwierig waren. Einige Beispiele:
- Die Teilnehmer laufen kreuz und quer durch den Raum und bleiben – ohne zu sprechen – immer wieder stehen und sehen einander in die Augen.
- Die Teilnehmer gehen mit offenen Augen durch den Raum und erleben ihn mit allen Sinnen: sehen, fühlen, riechen – alles erlaubt und erwünscht.
- Die Teilnehmer bewegen sich tanzend oder auf sonst ungewöhnliche Weise durch den Raum und dürfen dies gerne auch miteinander tun.
Hört sich vielleicht alles gar nicht so schwer an, aber für mich war es wahnsinnig schwierig mich darauf einzulassen, ungewohnt und anstrengend und peinlich . ABER: manchmal ist es ja auch gut, aus seiner Komfortzone heraus zu kommen.
Mit Esoterik hat MBSR gar nichts zu tun. All diese Übungen sollen dazu dienen, sich zu fokussieren und sich selbst – seine Gefühle, Empfindungen, Gedanken – wahrzunehmen, zu beobachten und dadurch ganz bei sich und im Hier und Jetzt zu bleiben. Letztlich geht es bei allen Achtsamkeitsübungen auch darum, Dinge anzunehmen, die man nicht ändern kann. Durch regelmäßiges Üben soll es einem dann auch im Alltag immer besser gelingen, im Jetzt zu leben, sich seiner eigenen Gedanken und Gefühle bewusst zu werden und sich von ihnen nicht vereinnehmen zu lassen.
Ich glaube nicht, dass ich den achtwöchigen Kurs machen werde, aber insgesamt war es für mich wieder eine tolle Erfahrung, die mein Leben ein Stück weit bereichert und mich darin bestärkt hat, meinen achtsamen Weg weiter zu gehen. Ich picke mir einfach die Elemente raus, die für mich in den Alltag passen . Der Benediktushof ist also ein ganz klarer Favorit bei meinen „Places to see“. Und wer gerne mehr im Jetzt leben, sich nicht von der Vergangenheit oder Zukunftsängsten vereinnehmen lassen möchte, wer Stress besser bewältigen oder ganz einfach das Leben neu erfahren möchte: dem sei der Benediktushof wärmstens ans Herz gelegt.
Servus Nadine,
Ich bin eben auf deine Seite gestoßen, als ich um den Benediktushof herumsurfte. Morgen geht’s nämlich zum Rohatsu. Es ist mein zweiter Aufenthalt im Benediktushof. Vor einem Jahr war ich auf einem Einführungskurs. Deine Vita liest sich, wie eine Beschreibung von mir. Lesen, Genießen , Laufen, Schwimmen, Radfahren, Yoga und seit Jahren ZEN gehören auch zu meiner Beschreibung. Hinzu käme noch Musik, Gitarre und etwas Klavier. Heute am ßteg vor dem Sesshin oder in diesem Fall Rohatsu, lasse ich alles etwas ungezwungen und locker an mir vorübergleiten. Freue mich schon riesig auf die nächste Woche. Der Benediktushof hat es mir auch spontan angetan. Es ist meine vierter Sesshin und ich möchte das einmal im Jahr nicht mehr missen. Man macht so etwas zwar nicht „um zu etwas“, wie Alexander Poraj sagt aber ich tanke hier etwas auf, das mir sehr viel gibt.
Ich hoffe, du sitzt auch zu Hause fleißig am besten täglich. Tut einfach gut.
Liebe Grüße
Josef Most
Lieber Josef. Wie schön dass du auf meine Seite gestoßen bist. Ich war zwischenzeitlich auch bereits dreimal im Benediktushof und möchte mir das auch weiterhin mindestens einmal jährlich gönnen. Auch um am Ball zu bleiben. Im Alltag schaffe ich es mit meinem Sohn leider nicht täglich zu meditieren, aber ich habs schon geschafft Achtsamkeit in meinen Alltag zu integrieren – und sei es beim Auto fahren, beim Spaziergang oder anderen alltäglichen Verrichtungen …
Wow, erzähl mal wie es beim Rohatsu im Benediktushof war. So viele Stunden durchzumeditieren ist bestimmt nicht einfach. Weiß nicht ob ich das könnte.
Ich wünsche dir eine tolle Zeit und freue mich wieder von dir zu hören.
Liebe Grüße
Nadine
Hallo Nadine, die Woche Sesshin bzw. Rohatsu ist vorrüber. Es war wieder eine sehr eidrucksvolle Erfahrung. Die ehemalige Abtei mit ihren alten Gemäuern und die neu hinzugekommenen Orte, wie Zen-Garten, Garten der Stille, haben schon eine zusätzliche positive Wirkung, wenn man die Kontemplation sucht. MIt über 70 Teilnehmern war das eine ganz neue Erfahrung für mich. Die bisherigen Sesshins hatten eine Stärke von 20-30 Teilnehmern. Die lange Zeit der Meditation macht sich am Abend dann schon in den Gräten bemerkbar. Man tut also gut daran, sich z.B. mit Yoga immer wieder etwas in Form zu bringen.
Meinen nächsten Sesshin werde ich in einem Jahr voraussichtlich im Seminarhaus Engel absolvieren. Dort war ich schon einmal und es hat auch einen ganz besonderen Flair. Vor allem sind dort nur maximal 30 Teilnehmer, was vor allem für die Einzelgespräche (Dokusans) sehr von Vorteil sein kann. Der Zenmeister kennt einem dann eben langsam und man kommt jeden Tag zum Gespräch, wenn man will.
Man macht ja nicht Zen, „um zu“. Auf die Frage, was das bringt, bekommt man immer die spontane Antwort: Nichts.
Es fühlt aber jeder selbst, dass das etwas mit einem macht. Und das dürfte für alle immer etwas Positives sein.
Liebe Grüße
Josef
Lieber Josef. Schön, dass es dir am Benediktushof wieder gefallen hat. Seminarhaus Engel sagt mir nix. Werde ich mal googeln.
Ich werde 2019 sicherlich auch wieder etwas Zeit im Benediktushof verbringen! Einmal im Jahr muss das sein. Und ich freue mich dort auch schon seeehr auf den schönen Buchladen mit Café 😊.
Liebe Grüße
Nadine
Hallo Nadine,
zufällig auf deinen Blog gestoßen, sprechen mich deine Erfahrungsberichte ungemein an.
Ich werde morgen (15.02.19.) bis zum Sonntag ein Kontemplationswochenende im Benediktushof besuchen und bin schon sehr aufgeregt und gespannt.
Kurzes Herzflattern, als ich las, dass um 5.15 der Tag beginnt
Für mich als bekennende Langschläferin eine der größten Herausforderungen.
Gibt es denn zwischendrin auch einige Ruhezeiten, die man für sich hat??
Nun ja, ich werde es erLEBEN!
Eine gute Zeit für Dich
Martina
Hallo Martina,
schön, dass du her gefunden hast 😊.
Also, 5.15 Uhr ist eigentlich auch so gar nicht meine Zeit 😅. Aber wenn man mal auf ist und einen Kaffee intus hat, tut der frühe Start in den Tag – zumindest für die überschaubaren 2 Tage 😉 – ziemlich gut. Genauso gut wie das Schweigen, an das ich mich erstmal gewöhnen musste und das dann so unglaublich wohltuend war.
Und ja, es gibt zwischendurch auch Zeiten für dich. Ich hatte zwar den ZEN Kurs besucht und nicht den Kontemplationskurs, aber ich nehme an hier wird es ähnlich sein. Ich habe die Pausen genutzt zum lesen und schreiben und habe das nette Büchercafé besucht.
Der Benediktushof ist wirklich ein ganz besonderer Ort und ich hoffe du kannst die Zeit genießen.
Ich wünsche dir schöne Tage mit dir selbst.
Liebe Grüße
Nadine