Habt ihr auch schon Bücher über Amazon bestellt? Ja? Ich auch. Aber ich tue es schon seit geraumer Zeit nicht mehr. Gründe dafür gibt’s viele.
Nicht nur die langen Versandzeiten in der derzeitigen Coronakrise . Zum einen ist da dieser
wahnsinnig schöne, kleine Buchladen um die Ecke, in dem ich immer finde was ich suche – oder, was noch wichtiger ist, was ich
nicht suche. Ein Laden, voll gepackt mit Büchern, in dem ich stöbern und schmökern kann – und wo ich mich mit lieben, buchbegeisterten Menschen über Bücher austauschen kann. Ganz real – von Angesicht zu Angesicht. In diesem Buchladen habe ich schon unzählige Buchempfehlungen bekommen, auf die ich über Amazon nie gestoßen wäre, und die meistens voll ins Schwarze getroffen haben. Besser als jeder Algorithmus es könnte. Natürlich werden mir auch über Amazon Bücher angezeigt, die mir gefallen könnten, aber ehrlich gesagt habe ich da schon so manchen Griff ins Klo erlebt. Bei meiner Buchhändlerin ist das selten der Fall. Ich gebe zu, es ist herrlich bequem online zu bestellen, aber viel schöner ist es doch, den Geruch von Papier einzuatmen, über Buchcover zu streichen oder in Bücher ganz haptisch reinzublättern. Ich nutze Online-Rezensionen hin und wieder, um ein Stimmungsbild einzufangen. Doch oft stimmt dieses Bild nicht mit meiner Meinung zu einem Buch überein. Denn auch hier kann man sich täuschen lassen. Buchgeschmack ist nicht gleich Buchgeschmack. Was dem einen gefällt, lässt dem Nächsten die Haare zu Berge stehen. Aber ein guter Buchhändler kennt seine Kunden – jedenfalls wenn man es sich zur Gewohnheit macht dort zu kaufen – und kann auf jeden Geschmack individuell eingehen. Und natürlich
hat fast jeder gute Buchhändler auch einen Online-Shop, falls die Bequemlichkeit eben doch mal siegt.
In den letzten 15 Jahren ist die
Zahl der Buchhandlungen um knapp 34 % gesunken (die Zahlen im Netz schwanken hier etwas, ich habe mich daher an den
Zahlen von Statista orientiert). Eine
Studie der JLU Gießen hat ergeben, dass
mit jeder Buchhandlung die schließen muss, im Schnitt 6.116 weniger Bücher verkauft werden. Der Onlinebuchhandel kann diese Zahlen nicht vollständig kompensieren. Es werden schlichtweg weniger Bücher gelesen. In der gleichen Studie hat man herausgefunden, welch enormen Beitrag der Sortimentsbuchhandel zur Vielfalt der Bücherwelt leistet. Zahlreiche Bestseller sind nur Bestseller geworden, weil kleine Buchhandlungen diese literarischen Highlights unermüdlich weiter empfohlen haben. Im Amazon Algorithmus wären sie schlichtweg unsichtbar geblieben – und irgendwann würden sie ganz ausbleiben. Wie traurig wäre unsere gedruckte Welt, wenn Amazon allein der Garant für ein erfolgreiches Buch wäre? Wie viel würde uns entgehen?!
Buy local_Der Buchhandel in Deutschland
Buchpreisbindung sorgt für Vielfalt und Sichtbarkeit im Buchmarkt
Der deutsche Buchmarkt ist der zweitgrößte der Welt. Und ich finde wir können stolz auf unsere
literarische Vielfalt sein. Sie ist ein kostbares Gut. Doch sie ist nicht selbstverständlich. Sie muss bewahrt werden. Das ist unter anderem Aufgabe der Buchpreisbindung. Sie sorgt dafür, dass Bücher zu einem festgesetzten Preis angeboten werden, egal wo sie erworben werden. Was Amazon und andere Big Player wohl ärgert, ist ein Segen für die Buchbranche – und für uns Leser. Denn
ohne die Buchpreisbindung hätten kleine Sortimentsbuchhandlungen und Vielfalt keine Chance. Dann würden sich nur noch die Bestseller am Markt durchsetzen. Und wenn man mal ganz ehrlich ist, sind das nicht immer die literarischen Sensationen.
Die Buchpreisbindung sorgt dafür, dass auch neue Autoren und Bücher abseits des Mainstreams von Lesern gefunden werden. Gäbe es sie nicht, wären Verlage gezwungen nur noch Mainstream zu publizieren. Kleinere Buchhandlungen würden vom Preisdumping der Konzernriesen in die Knie gezwungen und würden verschwinden. Sie sind es aber, die auf die literarischen Highlights abseits der Massenware aufmerksam machen. Es ist die Vielfalt der Bücher, die unsere Zeit dokumentieren – und für die Nachwelt festhalten. Und mit jedem Buchkauf vor Ort tragt ihr ein klein wenig zur Vielfalt unseres literarischen Kosmos bei…
Es ist nicht der erste Artikel, in dem ich ein Plädoyer für den lokalen Buchhandel halte. Hier könnt ihr meine älteren Beiträge nachlesen…
Small-Data – Wie kleine Buchhändler im Online-Zeitalter überleben oder
Buy Local und rettet den Buchhandel. Aber man kann nicht oft genug darauf hinweisen, wie wichtig es ist lokal zu kaufen, nicht nur im Buchhandel, sondern generell. Wie würden unsere Städte, unsere Heimat aussehen, wenn wir nur noch online shoppen würden? Trostlos. Eindimensional. Langweilig.
Gründe für den lokalen Buchhandel und gegen Amazon
Es gibt unzählige andere Gründe, Amazon zu boykottieren, und wann immer möglich, vor Ort zu kaufen. Ihr stärkt eure Städte, ihr setzt ein Zeichen für faire Arbeitsbedingungen und fairen Wettbewerb. Natürlich gibt es Güter, die man nicht mal eben um die Ecke bekommt. Dann bestelle ich auch online und fahre nicht 20 km bis zum nächsten Laden. Das wäre ökologisch wohl auch nicht gerade sinnvoll. Aber wo immer es geht, kaufe ich vor Ort. Es liegt mir fern, mit erhobenen Zeigefinger auf Amazonkäufer zu schimpfen. Aber ich will dazu anregen, dass jeder sich zumindest Gedanken um sein Konsumverhalten macht – und welche Auswirkungen es haben kann.
Es hat leider nicht jeder das Glück, einen (guten) Buchladen vor Ort zu haben. Es liegt also natürlich auch bei den Buchhändlern, ein gutes Sortiment und gute Beratungskompetenz vorzuhalten und Kunden zu begeistern. Wenn das nicht gelingt, dann ist es nur folgerichtig, wenn der Wettbewerb greift. Möge der Bessere gewinnen, oder wie war das? Ich habe bei den von mir besuchten Buchläden bisher hauptsächlich gute Erfahrungen gemacht. Die meisten Buchhandlungen sind übrigens sehr ins lokale Geschehen vor Ort eingebunden, sind kultureller Treffpunkt, organisieren Lesungen, Diskussionen und Lesekreise oder arbeiten mit Schulen und Kindergärten zusammen, um die Lesefreude schon von Klein auf zu fördern. Schaut euch doch mal bei den tollen
Aktionen der Buchhändler auf der Seite des Börsenblatts um, dem Wochenmagazin für den Deutschen Buchhandel. Aber selbst, wenn der Buchladen vor Ort nicht den Erwartungen entspricht, dann gibt es mit Sicherheit
gute alternative Buchläden im weiteren Umfeld, die einen Onlineshop anbieten – mit dem gleichen Service, den man von Amazon gewohnt ist: große Verfügbarkeit, Übernacht-Lieferung, 24h-Shopping, oftmals sogar mit Rezensionen. Auch bei anderen Gütern lohnt sich ein Blick über den Tellerrand des Versandriesen. Denn viele Branchen bieten gute, oft nachhaltige Online-Adressen.
Hier ein Utopia-Artikel mit Alternativen zu Amazon…
Ihr habt in diesem Beitrag noch nicht Gründe gesammelt?
Dann lest doch mal in die 99 Gründe für den lokalen, unabhängigen Buchhandel bei Karla Paul’s Buchkolumne rein… Hier findet ihr 99 weitere Meinungen.
Mich interessiert eure Meinung zum Thema. Wo kauft ihr eure Bücher – und warum? Seid ihr anderer Meinung? Ich freue mich auf einen Austausch.
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Superbeitrag! Kann ich nur zustimmen. Ich habe eine Karte gebastelt wo jeder einen Buchladen in seiner Nähe finden kann https://adlibrum.de/literaturorte/
Hi Christoph, vielen lieben Dank, auch für den Hinweis auf deine Karte. 👍🏻😊
Liebe Grüße
Nadine
Schöner Beitrag, dem ich generell zustimmen kann. ABER – bis auf ganz wenige Ausnahmen sind die Buchhandlungen leider Selfpublishern gegenüber viel zu negativ eingestellt. Einfach weil sie meinen, die Qualität läge (weit) unterhalb der der Verlage. Was zu einem geringen Anteil stimmen mag. Aber ich habe auch schon bei Verlagen den größten Mist gelesen, schlechte Lektorate / Korrektorate entdeckt etc. Und andersherum echte Perlen und absolut Empfehlenswertes. Es gibt genug Selfpublisher, die gar nicht im Buchladen stehen möchten, doch vielen von uns liegt es daran, diese Zielgruppe zu erreichen. Wir schreiben Bücher mit Herzblut, weil wir eben nicht nur die Binge-Reader von A erreichen wollen. Wir schreiben jenseits des Mainstreams, weil das Leben nicht nur Mainstream ist – und wenn wir die Anerkennung des Buchhandels bekämen, könnte sich das durchaus auf beiden Seiten lohnen. Weil wir unsere Leser sehr gerne zum Dealer ihres Vertrauens schicken wollen. Vielleicht wäre auch das mal einen Artikel wert
Liebe Sontje, ja das Thema Selfpublishing ist ganz sicher einen Artikel wert und ich verstehe das Dilemma mit dem Buchhandel. Ich stimme dir zu, die Qualität stimmt auf beiden Seiten nicht immer – und genauso gibt es sicher auf beiden Seiten grandiose Bücher. Es wäre schön, wenn die Seiten mehr zueinander finden würden. Ich denke, ein wenig Bewegung ist drin, wie zum Beispiel der Deutsche Selfpublishing-Preis auf der Frankfurter Buchmesse zeigt. Letztlich sollte es meiner Meinung nach um gute Geschichten gehen, um gute Autoren, die es schaffen, Leser zu begeistern.
Genau so sieht’s aus! Deswegen ist es ja so schade, dass 95% der Buchhändler SP-Bücher kategorisch ablehnen.