Die vorletzte Frau – Ein Roman über die flüchtige und bleibende Kraft der Liebe

Jemand sagt, ich wische dein Blut nicht mehr auf; du liest meine Texte nicht mehr.
Jemand sagt, wenn du nicht krank geworden wärst, wären wir noch immer ein Paar.
Jemand sagt, es sei nicht klar, ob ich dich verlassen habe oder du mich.
Jemand sagt, ich habe mich entscheiden müssen, ob ich mein oder dein Leben führe.
Jemand sagt, ich kann zwar glücklich werden, aber du bleibst mein Lebensmensch.

Deutschland/Schweiz. Eine Frau, eine Liebe, ein Leben voller Höhen und Tiefen: In Die vorletzte Frau erzählt Katja Oskamp die packende Lebensgeschichte einer jungen Frau, die sich aus den Fesseln ihrer Ehe löst und sich Hals über Kopf in eine Beziehung mit dem charismatischen, 19 Jahre älteren Schriftsteller Tosch stürzt. Zwischen literarischem Austausch und leidenschaftlicher Hingabe entwickelt sich eine Verbindung voller Intensität und Gegensätze – geprägt von Nähe und Distanz, Freiheit und Bindung. Doch als eine schwere Krankheit alles verändert, wird die Liebende zur Pflegerin, und ein neues Kapitel des Abschieds beginnt.

Die vorletzte Frau_Cover

Die vorletzte Frau von Katja Oskamp ist eine faszinierende und schonungslose Erzählung über Liebe, Vergänglichkeit und das Leben selbst. Es ist weniger ein Roman im klassischen Sinne als vielmehr eine intime, biografische Lebens- und Liebesgeschichte, die Oskamp mit beeindruckender Offenheit und Detailverliebtheit erzählt.

Im Zentrum der Handlung steht eine junge Ich-Erzählerin, die, verheiratet und Mutter einer kleinen Tochter, während ihres Studiums am Literaturinstitut in Leipzig den Schweizer Gastdozenten Tosch kennenlernt. Tosch ist ein 19 Jahre älterer, gefeierter Schriftsteller, dessen Talent und Persönlichkeit die Erzählerin in ihren Bann ziehen. Er wird ihr Mentor, Liebhaber, Freund und letztlich einer der wichtigsten Menschen in ihrem Leben. Ihre Verbindung ist mehr als eine bloße Romanze – sie ist geprägt von tiefer intellektueller, emotionaler, aber auch schonungsloser Nähe, die beide als ein „Zumutungsverhältnis“ verstehen: „Ich mute mich dir zu. Du mutest dich mir zu.“ Ihre Beziehung ist geprägt von erbarmungsloser Offenheit, leidenschaftlicher Hingabe und beständigem Austausch über Literatur – und trotzdem auch immer von einer gewahrten Distanz.

„Tosch liebte meine Texte und meinen Hintern. Ich liebte Toschs Pranken und sein Lektorat. Virtuos jonglierten wir mit dem Auftrag, uns einander auf Gedeih und Verderb zuzumuten  mit allen Meisen und Absonderlichkeiten. Sex und Text nannten wir die Gemengelage, die unser Leben war, sein Kern, und dessen Bestandteile sich überflügelten, denn so gern, wie ich meinen Körper in Toschs Hände gab, damit er damit verfuhr, wie er wollte, so gern tat ich ebendies mit meinen Texten. Tosch sollte schalten und walten. Über beides. Und das tat er. Dies, dachte ich damals, dachte ich später, denke ich heute, findest du nie mehr.“

Oskamp zeigt die junge Erzählerin – sich selbst – zwischen verschiedenen Rollen – als Mutter, Hausfrau, Schriftstellerin und Geliebte eines berühmten Mannes. Die Erzählerin liebt Tosch in all seinen Facetten, seine „Kommhergehweg“-Allüren, sein Charisma, seine fordernde, oft unnahbare und sehr humorvolle Art. Tosch wird zum Fixpunkt ihres Lebens – sie liebt seine Hände auf ihrer Haut, den inspirierenden Austausch und seinen kritischen Blick, der ihre Texte formt. Doch die Dynamik schwankt zwischen Nähe und Fremdheit, zwischen intellektueller und körperlicher Verbundenheit und der Erfahrung, jemanden so sehr zu lieben und gleichzeitig von ihm entfernt zu bleiben.

„Tosch gehörte zu mir, doch praktisch gesehen war ich alleinerziehend; er hielt sich aus dem täglichen Kinderkram heraus. Ich saß in der Grundschule auf Elternversammlungen, stand bei Weihnachtsbasaren hinter Verkaufstischen, organisierte Zeugnisfeiern, Sommerfeste, Lesenächte, Theaterbesuche und Karnevalsumzüge. Im Rahmen meiner Mutterschaft habe ich hundert Kuchen gebacken und bestimmt dreihundert Kindergeburtstagsgeschenke nicht nur erworben, sondern auch eingewickelt. Und dasselbe taten die anderen Mütter, die von Beruf Apothekerin, Zahnarzthelferin oder Bibliothekarin waren. […] Tosch nannte uns etwas abschätzig die Aktiv-Muttis.“

Doch dann wird Tosch krank, und mit dieser Wende nimmt die Geschichte eine tragische Wendung. Die Erzählerin wird von der leidenschaftlichen Geliebten zur Pflegerin und bleibt an seiner Seite, hin- und hergerissen zwischen den unterschiedlichen Welten und Lebensräumen, in denen sie sich schon immer bewegt haben und den vielen verschiedenen Rollen, die sie als Frau im Leben einnimmt.

„Als ich ihm sagte, dass ich nur zwei Tage bleiben und dann nach Berlin fahren müsse, erwiderte er, meine sommergebräunte Haut, meine muskulösen Beine, meine kraftstrotzende Gesundheit kotzten ihn an. Ich weiß noch, wie ich die Zähne zusammenbiss und einen Geiz spürte; ich wollte mein Erholungsgefühl nicht hergeben. Vor allem drängte es mich nach Hause.“

Mit erstaunlicher Offenheit und feinsinniger Beobachtungsgabe zeichnet Katja Oskamp eine Liebe, die in all ihren Phasen berührt: voller Vertrauen, Zärtlichkeit, Hingabe und Freundschaft, aber auch voller Zerrissenheit, Abstand, Abschied und Trauer. Sie zeigt, wie sich Liebe unter dem Druck des Schicksals verändern und wie stark eine Frau sein kann, wenn sie den Mut findet, ihren eigenen Weg unter allem Umständen zu gehen. Der Schreibstil ist flüssig und die Sprache präzise, was die Lektüre trotz schweren Themen leicht und fesselnd macht.

Besonders beeindruckend ist die Fähigkeit der Autorin, die Schwächen und Macken der Menschen, auch die eigenen, mit liebevoller Zärtlichkeit darzustellen, ohne Drama, sondern mit ganz viel Humor und Zuneigung.

Die vorletzte Frau ist eine bewegende Erzählung über Liebe, Leidenschaft und den Verlust derselben. Sie zeigt, wie Krankheit und Zeit eine Beziehung zermürben können, und vermittelt dabei eine leise Botschaft über das Loslassen und das Weitergehen im Leben. Doch zugleich vermittelt sie das wunderbare Gefühl, dass von der Liebe immer etwas bleibt, dass es Menschen gibt, die unser Leben prägen – selbst über Trennungen hinaus. Dieses Buch ist eine große Liebeserklärung – an Beziehungen, an sich selbst, an das Leben.

Der erste Satz

„Als ich Tosch begegnete, war ich dreißig, er neunundvierzig.“

Buchinformationen

Die vorletzte Frau von Katja Oskamp, 29. August 2024, 208 Seiten, erschienen bei park x ullstein, Hardcover 22 Euro.

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Über die Autorin

„Katja Oskamp, geboren 1970 in Leipzig, ist in Berlin aufgewachsen. Nach dem Studium der Theaterwissenschaft arbeitete sie als Dramaturgin am Volkstheater Rostock und studierte am Deutschen Literaturinstitut Leipzig. Bisher wurden von ihr der Erzählungsband Halbschwimmer und die Romane Die Staubfängerin und Hellersdorfer Perle veröffentlicht. 2019 erschien bei Hanser Berlin Marzahn, mon amour, für dessen englische Ausgabe sie 2023 zusammen mit der Übersetzerin den Dublin Literary Award erhielt.“


Genre: Belletristik, Biografie, Biografischer Roman, Liebesroman, Roman
Subjects: Affäre, Beruf, Deutschland, Ehe, Familie, Kinder, Krankheit, Leben, Lebenswege, Leidenschaft, Liebe, Schreiben, Schriftstellerei, Schweiz, Selbstverwirklichung, Trauer, Zusammenhalt

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