Prima Facie

„Denn jetzt weiß ich, aus eigener Erfahrung, sowohl als Frau als auch als Anwältin, dass die gelebte Erfahrung sexualisierter Gewalt sich nicht als ordentliches, stimmiges und systematisches Päckchen einprägt. Dennoch geht das Gesetz genau davon aus. Und ohne solche Beweise wertet das Gesetz eine Aussage nur allzu oft als unglaubwürdig.“

London. Tessa Ensler hat sich ihren Weg in die Londoner Anwaltschaft hart erarbeitet. Sie stammt aus einfachen Verhältnissen, hat ein Stipendium für Cambridge ergattert und sich als brillante Strafverteidigerin etabliert. Häufig vertritt sie Fälle von sexualisierter Gewalt, ihre Art, Zeuginnen ins Kreuzverhör zu nehmen, gilt als legendär. Für Tessa steht das Gesetz im Mittelpunkt, und sie ist überzeugt, dass jeder eine faire Verteidigung verdient. Doch als sie selbst Opfer eines sexuellen Übergriffs wird und als Zeugin vor Gericht stehen muss, erkennt sie, wie schwer es ist, sich gegen ein System zu behaupten, das sie bisher so gut zu beherrschen glaubte.

Prima Facie Cover

Sexualisierte Gewalt ist eine erschreckende Realität für viele Frauen, nahezu jede 3. Frau ist betroffen. Allein in Deutschland werden jeden Tag mehr als 140 Frauen und Mädchen Opfer einer Sexualstraftat. Schätzungen zufolge werden nur 5-15% der Taten zur Anzeige, noch weniger Fälle konsequent vor Gericht gebracht. Nur acht Prozent aller angezeigten Vergewaltigungen führen zur Verurteilung. Suzie Millers Roman „Prima Facie“ wirft ein schonungsloses Licht auf diese Ungerechtigkeit und hinterfragt die Schwächen des Rechtssystems.

Der Titel „Prima Facie“ beschreibt eine juristische Annahme und bedeutet „auf den ersten Blick“ oder „bis zum Beweis des Gegenteils“. Das Buch verdeutlicht die Schwierigkeiten, die Opfer sexueller Gewalt haben, wenn es darum geht, ihre Aussagen glaubhaft zu machen. Wenn Aussage gegen Aussage steht und Beweise fehlen, bleibt den Betroffenen oft nur der bittere Beigeschmack der Ohnmacht.

„…wenn einer Frau Gewalt angetan wird, hinterlässt das eine klaffende Wunde. Am Anfang stecken der Schrecken und der Schmerz tief in ihrem Körper, dann übernehmen sie das Bewusstsein… die Seele.“

Der Autorin ist ein leidenschaftlicher, stilistisch einfacher Roman gelungen. Miller verwebt juristisches Fachwissen mit einer emotionalen Geschichte und trifft damit einen Nerv. Die Erzählweise ist leicht zugänglich und oft eher nüchtern. Die Autorin hätte emotional noch intensiver in die Thematik eintauchen können, um das Leiden der Frauen spürbarer zu machen. Dennoch fügt sich der sachliche Erzählstil stimmig in das juristische Umfeld des Romans ein und unterstreicht dessen Authentizität.

Von der Bühne ins Buch

„Prima Facie“ basiert auf Millers Theaterstück, das international große Beachtung fand. Das Stück wurde 2020 mit den wichtigsten australischen Preisen für neue Dramatik ausgezeichnet sowie mit dem Olivier Award, der höchsten Auszeichnung im britischen Theater. Nach Riesenerfolgen im Londoner Westend und am New Yorker Broadway erobert „Prima Facie“ jetzt die deutschen Bühnen.

Fazit

Trotz einer eher sachlichen Sprache ist „Prima Facie“ ein aufrüttelnder und wichtiger Roman. Er zeigt die Schwachstellen der Justiz auf und gibt Einblick in die Schwierigkeiten und die Ohnmacht, mit denen Opfer sexueller Gewalt konfrontiert sind. Ein Buch, das zum Nachdenken anregt und eine bedeutende Debatte weiterführt.

Der erste Satz

„Vollblüter. Jede Einzelne. Bereit für das Rennen, alle Muskeln gespannt.“

Buchinformationen

Prima Facie von Suzie Miller, 2. Auflage 2024, 352 Seiten, erschienen im Kjona Verlag, Australische Orgininalausgabe 2023 unter dem Titel Prima Facie bei Picador Australia, Sydney. Aus dem Englischen von Katharina Martl, Hardcover 25 Euro, Taschenbuch ab 18. März 2025 lieferbar 16 Euro.

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Über die Autorin

„Suzie Miller, geboren in Melbourne, hat jahrelang als Strafverteidigerin gearbeitet, mit besonderem Augenmerk auf sexuellen Missbrauch. Ihr Stück »Prima Facie«, auf dem ihr Roman basiert, gewann alle großen Preise Australiens sowie den Olivier Award, die wichtigste Auszeichnung im britischen Theater. »Prima Facie« ist ihr erster Roman.“


Genre: Belletristik, Gerichtsdrama, Gesellschaftsroman, Roman
Subjects: Beruf, Familie, Freundschaft, Gericht, Gesellschaft, Leben, Lebenswege, Leidenschaft, Prozess, Sex, Sexuelle Gewalt

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