„Gestorben wird immer, dachte Agnes, bald bin ich dran. Doch vorher war es an der Zeit, die Dinge zu regeln. Es war Zeit für die Wahrheit.“
Hamburg, im Mai 2008. Agnes, die 91-jährige Patriarchin einer Hamburger Steinmetzfamilie, hat die Nase voll. Über Jahrzehnte hinweg hat sie die Familiengeschäfte mit strenger Autorität geführt und ihrem Ruf als Tyrannin alle Ehre gemacht. Als sie merkt, dass ihre Kräfte schwinden, bittet sie ihre Enkelin Birte, die zerstrittene Familie zusammen zu trommeln – denn Agnes will reinen Tisch machen… und Familiengeheimnisse lüften, die die Beziehungen in der Sippe seit Jahren belasten. Es ist Zeit, dass sie erfahren was damals passiert ist, in Ostpreußen, während des Krieges und ihrer Flucht in die neue Heimat. Und so begibt sich Birte, gemeinsam mit ihrem Cousin Bosse, auf eine unfreiwillige Reise, stöbert ihre seit Jahren verschollene, geisteskranke Mutter Martha auf und scheucht auch den Rest der Familie Weisgut auf deren Familiensitz zusammen und gemeinsam begeben sie sich auf eine Reise in die Vergangenheit…
In ‚Gestorben wird immer‘ erzählt Autorin Alexandra Fröhlich die ungewöhnliche Lebensgeschichte einer starken Frau, eine Geschichte von Krieg, Verzweiflung und Schuld, die Geschichte einer Familie.
Diese Geschichte ist so ganz anders, als ich sie mir vorgestellt hatte… viel besser um genau zu sein. Ich hatte einen recht flachen Plot über einen Familienzwist erwartet und bin mit einer tiefsinnigen Geschichte über Krieg und Flucht überrascht worden. Alexandra Fröhlich gelingt es, ihrem Roman trotz des Themas Humor und Leichtigkeit zu verleihen. Die Charaktere, die zu diesem Familientreffen zusammen kommen, bleiben dem Leser im Gedächtnis.
Da ist die eiskalte Patriarchin Agnes, die eigentlich niemand so richtig mag und von der doch alle irgendwie abhängig sind, ihre Söhne und deren Familien, ihre seit langem verschwundene Tochter Martha, ihre Enkelin Birte –
„Sie blickte in Agnes‘ klare blaue Augen und wusste, dass sie verloren hatte. Ihre Großmutter war genauso hart wie der Granit, den ihre Familie in der vierten Generation bearbeitete.“
Im Laufe des Buches erfährt der Leser dann auch etwas über die Männer die es in Agnes Leben gegeben hat – auch wenn sich keiner der Familienangehörigen vorstellen kann, dass es im Leben dieser Frau tatsächlich so etwas wie Leidenschaft oder gar Liebe gegeben haben soll. Wenn man die Geschichte von Agnes verfolgt, die auf den ersten Blick so hart und unbeugsam erscheint, und die man dann im weiteren Verlauf des Buches verstehen lernt, fragt man sich unweigerlich, wie viel man eigentlich über das Leben seiner eigenen Großeltern weiß. Was mussten sie im Krieg durchmachen? Was hat sie zu dem Menschen werden lassen, der sie sind? Ein Großteil der Kriegsgeneration spricht kaum über die damalige Zeit. Und so hat auch Agnes nie wirklich mit ihrer Familie über die Vergangenheit gesprochen.
„Alle waren sie gegangen, jeder für sich gefangen in den Gedanken, die das an diesem Tag Gehörte ausgelöst hatte. Und jeder von ihnen hatte es verstanden. Wie alles zusammenhing.Was ihre Familie ausmachte. Was sie zusammenhielt und gleichzeitig trennte. Und vielleicht, dachte Agnes, als sie ihnen nachsah, vielleicht kann man doch irgendwann verzeihen, wenn man nur erst einmal verstanden hat.“
‚Gestorben wird immer‘ ist eine Familiengeschichte, die einen nachdenklich stimmt und die sich trotzdem mit Leichtigkeit lesen lässt.
Der erste Absatz
„Es wird auch langsam Zeit, dass du kommst.“ Begleitet wurden diese Worte durch ein dringliches Pock-pock-pock. Birte zuckte zusammen. Warum hatte sie nur geglaubt, dass sie an einem Sonntag ins Haus schlüpfen könne, ihre Unterlagen schnappen und schnell wieder raus, ohne von ihrer Großmutter bemerkt zu werden?
Buchinformationen
Gestorben wird immer von Alexandra Fröhlich, Taschenbuchausgabe, 3. Auflage, erschienen am 11. Oktober 2016 im PENGUIN Verlag (Verlagsgruppe Random House), 336 Seiten, 13,00 Euro.
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Über die Autorin
„Alexandra Fröhlich lebt als Autorin in Hamburg und arbeitet als freie Textchefin für verschiedene Frauenmagazine. Ihr Roman Meine russische Schwiegermutter und andere Katastrophen (2012) stand wochenlang auf der Spiegel-Bestsellerliste. Auch in ihrem neuen Buch, Gestorben wird immer, erzählt sie augenzwinkernd eine ungewöhnliche Familiengeschichte.“
Subjects: Deutschland, Familie, Flucht, Geschwister, Kinder, Krieg, Leben, Lebenswege, Liebe, Schicksal, Trauer, Verlust, Zusammenhalt