Erfolglose Suche nach dem Glück – Hectors Reise

„Wenn man die Leute fragt, ob sie glücklich sind, muss man sehr aufpassen, weil man sie mit dieser Frage sehr durcheinanderbringen kann.“

Paris. Hector ist Psychiater und in letzter Zeit zunehmend unzufrieden. In seiner Praxis sieht er immer mehr Menschen, denen es eigentlich gut geht – und die trotzdem nicht zufrieden sind. Menschen, die alles hinterfragen: ob sie den richtigen Beruf haben, mit der richtigen Person verheiratet sind oder ob sie in ihrem Leben etwas wichtiges verpassen. Und auch an sich selbst bemerkt er steigende Frustrationen, steckt er doch in einer Beziehung, in der zunehmend der Alltag die Oberhand gewinnt. Woran liegt es, dass manche Menschen kein Glück empfinden – obwohl sie nicht krank sind, einen guten Job haben, genügend Geld, Freunde, Familie? Was ist überhaupt Glück und wie findet man es? Um diesem Geheimnis auf die Spur zu kommen, begibt Hector sich auf eine Reise um die Welt – auf der Suche nach dem Glück. Er trifft unterschiedlichste Menschen und gerät in die skurillsten Situationen. Und kommt wieder mit 23 kleinen Lektionen des Glücks.

Mit ‚Hectors Reise‘ hat der französische Autor François Lelord ein Thema aufgegriffen, das mich sehr angesprochen hat – und man hätte so viel daraus machen können. Doch leider ist die Umsetzung in meinen Augen nicht wirklich gelungen. Aber erstmal auf Anfang.

Die Geschichte von Hector hat ein bisschen was von einem Märchen und sie begann für mich vielversprechend. Hector begibt sich auf eine Reise nach Asien, Afrika und Amerika – und trifft dort auf Menschen in den unterschiedlichsten Lebenslagen. Daraus zieht er für sich verschiedene Lehren. Die erste Lektion fand ich auch noch sehr ansprechend, da ich denke, dass viele Menschen sich auf diese Weise tatsächlich selbst unglücklich machen:

„Vergleiche anzustellen ist ein gutes Mittel, um sich sein Glück zu vermiesen.“

Alles in allem bleibt mir aber das Ergebnis von Hectors Reise einfach zu oberflächlich, zu belanglos, zu allgemein. Seine 23 Lehren, die er auf der Reise findet, sollen alle Dimensionen des Glücks ansprechen. Aber für mich fühlt sich das nicht stimmig an. So trifft er unter anderem auf einen Mönch, aber Spiritualität und Meditation finden in den Lehren keinen Platz. Die Themen Achtsamkeit und Leben im Jetzt werden nur am Rande gestreift.

Die Sprache im Buch ist sehr, sehr einfach gehalten und sicher nicht jedermanns Sache. Man könnte den Eindruck gewinnen, es sei für Kinder geschrieben. Und so ist auch der Psychiater Hector ein sehr naiver Charakter, oft eben geradezu kindlich. Nichts wird im Buch klar benannt – Orte, Handlungen – alles wird umschrieben.

„Was dann geschah, braucht man nicht groß zu erzählen, denn Hector und Ying Li gingen natürlich in Hectors Zimmer, wo sie miteinander machten, was die Leute machen, wenn sie verliebt sind, und jeder weiß ja, wie das geht.“

Ich nehme an, der Autor hat diesen Stil bewusst gewählt und möchte die Geschichte mit einem Augenzwinkern erzählen. Das wirkt anfangs charmant, nervte mich aber im Laufe des Buches zunehmend. Ein wenig erinnert mich der Stil an Jonas Jonasson („Der Hundertjährige, der aus dem Fenster stieg und verschwand“), wobei ich finde, dass dieser die schwierige Mischung aus Naivität und hintergründiger Tiefe besser umgesetzt hat.

Auch Hectors Verhalten ist für mich nicht ganz stimmig, so lässt er sich auf zwei One-Night-Stands ein, um dann am Ende… Achtung Spoileralarm! Aber ich denke, bei dieser leichten Geschichte verrate ich nicht zuviel wenn ich euch sage, dass sie auch wie im Märchen endet…

Und sie lebten glücklich bis ans Ende ihrer Tage.

Also mein Fazit: ein leichtes, schnell gelesenes Buch für Zwischendurch. Einen großen literarischen Anspruch darf man beim Lesen allerdings nicht haben. Das Buch liefert einige wenige Denkanstöße und ist stellenweise amüsant. Aber große Lehren konnte ich nicht daraus ziehen und die Fortsetzung werde ich mir wohl auch eher nicht zulegen.

Der erste Absatz

„Es war einmal ein junger Psychiater, der Hector hieß und mit sich nicht besonders zufrieden war.“

Buchinformationen

Hectors Reise oder die Suche nach dem Glück von François Lelord, Taschenbuchausgabe, 32. Auflage, erschienen 2005 im Piper Verlag. Aus dem Französischen von Ralf Pannowitsch. 208 Seiten, 9,99 Euro. Deutsche Erstausgabe erschienen 2004. Originalausgabe erschienen 2002 unter dem Titel „Le voyage d`Hector ou la recherche du bonheur“ bei Éditions Odile Jacob in Paris.

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Über den Autor

François Lelord, geboren 1953, studierte Medizin und Psychologie und wurde Psychiater, schloss jedoch seine Praxis, um sich und seinen Lesern die wirklich großen Fragen des Lebens zu beantworten. Er lebt in Paris und Bangkok.“


Genre: Belletristik, Gegenwartsliteratur, Roman, Selbstfindung
Subjects: Beruf, China, Frankreich, Gesellschaft, Glück, Leben, Lebenswege, Liebe, Schicksal, Südamerika, Tod, USA

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