Zwischen Wahrheit und Selbstbetrug – Lügen, die wir uns erzählen

„Was, wenn ich mich damals anders entschieden hätte? Für ihn und gegen die Vernunft – für das, was ich wirklich wollte?

München. Helene ist 45 Jahre alt, als ihr Mann sie für eine jüngere Frau verlässt. Plötzlich steht sie allein da – mit zwei Kindern im Teenageralter und muss sich den Geistern der Vergangenheit stellen. Denn eigentlich war sie es, die gehen wollte, vor langer Zeit. Für Alex, ihre große Liebe. Doch das Leben nahm andere Wege. Sie beginnt, zu reflektieren – ihre Rolle als Tochter, Ehefrau und Mutter, die Entscheidungen, die sie nie getroffen hat, und die Lügen, die sie sich selbst erzählte. Lügen, die wir uns erzählen - Buchcover

Anne Freytags Roman „Lügen, die wir uns erzählen“ ist eines der besten Bücher, die ich in letzter Zeit gelesen habe. Die Autorin entwirft darin das vielschichtige Porträt einer Frau, die in der Mitte des Lebens den Mut finden muss, sich ihren tiefsten Sehnsüchten und verpassten Chancen zu stellen. Ein berührender Roman über die Abzweigungen des Lebens, die Zerbrechlichkeit von Beziehungen und die Suche nach dem eigenen Ich.

Die Geschichte ist viel mehr als nur die Erzählung einer gescheiterten Ehe. Es ist eine tiefgründige Untersuchung der Fragen, die viele Frauen beschäftigen: Bin ich eine gute Mutter? Wie lässt sich Mutterschaft mit den eigenen Bedürfnissen in Einklang bringen? Warum entgleitet die Liebe dem Alltag so schnell? Und wie hat mich die Beziehung zu meinen eigenen Eltern geprägt?

Freytag versteht es, diese inneren Konflikte mit einer sprachlichen Präzision und Bildhaftigkeit zu schildern, die den Leser unweigerlich in den Bann zieht. Man möchte dieses Buch nicht mehr aus der Hand legen.

Der Roman wird aus verschiedenen Perspektiven erzählt, was ihm eine vielschichtige Tiefe verleiht. So kommen nicht nur Helene, sondern auch ihre Tochter Anna, ihr Sohn Jonas und ihr Ehemann Georg zu Wort. Dabei beschreibt die Autorin die Unsicherheiten, Ängste und Hoffnungen ihrer Figuren mit großem Feingefühl – ebenso wie die Missverständnisse, die sich aus den verschiedenen Blickwinkeln ergeben.

Ich würde vermuten, jede Frau in den mittleren Jahren wird sich auf die eine oder andere Weise in dem Roman wiederfinden. Beispielsweise, wenn Helene sich die Frage stellt, ob sie als Mutter genug ist.

„Ich verbrachte gern Zeit mit meinen Kindern- ich liebte sie. Und doch beschlich mich häufig das Gefühl, ihnen nicht gerecht zu werden, ihnen nicht genug von mir zu geben, weil es neben ihnen noch etwas anderes gab – eine Frau, die mehr war als ihre Mama, eine Frau, die es schon vor ihnen gegeben hatte und auf der ich auch mit ihnen bestand.“

Es ist ein Roman über die Kraft der Wahrheit, die Bedeutung von Familie und die Frage, wer wir wirklich sind – ein Buch, das man nicht nur liest, sondern erlebt. Es ist ein Buch voller Eselsohren, weil es so viele Passagen gibt, die man festhalten möchte. Es ist ein Buch, das bleibt – in Gedanken, im Herzen und auf der Liste der absoluten Leseempfehlungen.

Der erste Satz

„Dann bist also jetzt du das Opfer?“,  frage ich. „Weil ich dich seinetwegen nicht verlassen habe?“

Buchinformationen

Lügen, die wir uns erzählen von Anne Freytag, 2024, 384 Seiten, erschienen im Kampa Verlag, 24 Euro.

Buy Local! Hier im Hardcover online beim Buchhändler meines Vertrauens bestellen

Über die Autorin

Anne Freytag hat International Management studiert, ist pünktlich zur Wirtschaftskrise fertig geworden, hat über einhundert Bewerbungen geschrieben, keinen Job gefunden, eine Weile in einer Boutique gearbeitet, sich arbeitslos gemeldet, zur Grafikdesignerin umgeschult, sich als Quereinsteigerin mit mieser Bezahlung in diversen Agenturen anstellen lassen und ist dann endlich ihrem Traum nachgegangen: Seit 2013 widmet sie sich ganz dem Schreiben. Für ihre Jugendbücher wurde sie mehrfach für Literaturpreise nominiert (u.a. zwei Mal in Folge für den Deutschen Jugendliteraturpreis) und damit ausgezeichnet (u.a. mit dem Bayerischen Kunstförderpreis in der Sparte Literatur). Anne Freytag lebt und arbeitet in München. Lügen, die wir uns erzählen ist ihr literarisches Debüt.“

 


Genre: Belletristik, Gegenwartsliteratur, Liebesroman, Roman, Selbstfindung
Subjects: Affäre, Beruf, Ehe, Einsamkeit, Familie, Geschwister, Glück, Kinder, Leben, Lebenswege, Liebe, Mutter-Tochter-Beziehung, Mutterschaft, Schicksal, Schreiben, Selbstverwirklichung, Tod

Ich freue mich über eure Kommentare, Fragen, Meinungen, Anregungen und und und :-) ...