„Und?“, sagt er, bevor ich zu weit von ihm weggelangen kann, „was macht der Roman?“ Er sagt es, als wäre das Wort meine Privaterfindung. […] „ich staune nur immer wieder, dass du glaubst, du hättest etwas zu sagen.“ […] Ich schreibe nicht, weil ich glaube, ich hätte etwas zu sagen. Ich schreibe, weil sich ohne das Schreiben alles noch trostloser anfühlt.
Boston. Casey ist Anfang Dreißig, wohnt in der Garage eines Bekannten und versucht, mit dem Gehalt als Kellnerin einen enormen Schuldenberg abzustottern. Als ihre Mutter unerwartet stirbt und sie dann auch noch von ihrem Freund verlassen wird, fällt sie ein tiefes Loch. Sie leidet unter Angstzuständen. Der einzige Strohhalm, die einzige Konstante in ihrem Leben ist das Schreiben. Der Roman, an dem sie seit sechs Jahren arbeitet. Und auch wenn sie sich immer wieder durch Schreibblockaden und Unsicherheiten kämpft, ist das Schreiben ihr einziger Rückzugsort. Aber ist sie nicht schon zu alt, um am unrealistischen Traum vom Leben als Schriftstellerin festzuhalten? Was erhofft sich Casey von ihrem Leben und was erhofft sie sich von den Männern darin?
Ich liebe Bücher über das Schreiben. Welche Bücherratte hat nicht diesen verrückten, romantischen Traum vom Schriftstellerdasein? Der Roman von Lily King erzählt von den Ängsten und Unsicherheiten, von den Höhen und Tiefen und den Fallstricken hinter der Leidenschaft zu schreiben. Er macht deutlich, wie schwer die Anfänge sind, wie groß die Widerstände, wie zerbrechlich dieser Traum. Und wie herablassend das Umfeld auf diesen Traum reagieren kann.
Wie es der Titel verrät, geht es im Roman auch um die Liebe, doch nur in zweiter Linie. Dabei behandelt die Autorin den Einfluss von Männern auf die Lebenswege von Frauen und Casey hat die Wahl zwischen verschiedenen Lebensentwürfen.
„Ich hocke da und mache mir klar, wie sehr man als Frau von früh an darauf geeicht ist, wahrzunehmen, wie andere einen wahrnehmen, und darüber auszublenden, wie man selbst andere sieht.“
Lily King versteht es, die Leserinnen und Leser mitzunehmen in die Ausweglosigkeit ihrer Figuren und ihnen dennoch Mut zu machen, ihren eigenen Lebensweg zu gehen. Denn ihre Protagonistinnen bestehen im Leben, trotz aller Notlagen und Zweifel, durch Widerstandsfähigkeit und Hartnäckigkeit. Ich gehe davon aus, dass Casey das Alter Ego der Autorin ist, für die letztlich der Durchbruch und damit ein Happy End als Schriftstellerin kam. Immer wieder sind es die Passagen über das Schreiben, die mich berühren.
„Wie viel Kraft es gekostet hat, etwas in sich zu vergraben, merkt man erst, wenn man es wieder ans Licht holen will.“
Auch wenn die Story und das Ende, über das an dieser Stelle nicht zuviel verraten werden soll, an manchen Stellen klischeehaft erscheinen, macht der Roman durch pointierte, humorvolle Dialoge und denkwürdige Zitate große Freude. Von mir eine klare Lesempfehlung, besonders für LeserInnen, die selbst gerne mit Worten umgehen.
Besonders schön die Szene beim Frauenarzt, der Casey etwas herablassend und ironisch fragt: „Und, schreiben Sie an dem Großen Amerikanischen Roman?“ Und Casey, die diese Frage schon ein paarmal zu oft gehört hat, antwortet: „Und Sie, finden Sie ein Mittel gegen Eierstockkrebs?“
Der erste Satz
„Ich verbiete mir strikt, schon am Morgen an Geld zu denken.“
Buchinformationen
Writers & Lovers von Lily King, Hardcover, 2. Auflage, 2020, 319 Seiten, erschienen im Verlag C.H. Beck, 24 Euro. Erstmals erschienen 2020 unter dem gleichnamigen Titel bei Grove Press, USA.
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Oder als Taschenbuch (13 Euro)
Über die Autorin
„Lily King, geboren 1962, wuchs in Massachusetts auf und studierte Englische Literatur und Creative Writing an der University of North Carolina at Chapel Hill und an der Syracuse University. Sie hat diese Fächer auch an verschiedenen Universitäten und High Schools in den USA und im Ausland unterrichtet. King lebt mit ihrem Mann und den beiden Töchtern in Maine. Sie erhielt zahllose Preise, darunter der Whiting Writer’s Award, der Barnes und Noble Discover Award und der New England Book Award for Fiction. Ihr Roman „Euphoria“ wurde von der New York Times unter die fünf besten Bücher des Jahres 2014 gewählt. ›Writers & Lovers‹ gehörte zu den Best Fiction Books 2020 – von Amazon, ›The Guardian‹ und ›Washington Post‹.“
Subjects: Beruf, Bücher, Leben, Lebenswege, Leidenschaft, Liebe, Schreiben, Tod, Traum, USA, Verlust