Girl on the train

Girl on the trainKennst du die Person, die dir am nächsten steht? Schon seit Hitchcocks Zeiten ist das das zentrale Thema zahlreicher Psychothriller. So auch in diesem Thrillerdebüt von Paula Hawkins, in dem es gilt, das Rätsel um eine verschwundene Frau zu lösen. Die Paralellen zu Gillian Flynns „Gone Girl“ sind unübersehbar. Und doch ist es offensichtlich erfolgreich gelungen, auf diesen Zug aufzuspringen. Ich persönlich finde die Idee hinter dem Buch gut, wenn auch abgekupfert, die Umsetzung ist in meinen Augen jedoch nicht durchweg ausgereift.

Jeden Morgen pendelt die am Leben gescheiterte Rachel mit dem Zug nach London und beobachtet dabei das Leben und die Häuser anderer Menschen. Rachel ist Alkoholikerin, immer wieder hat sie Blackouts und kann sich danach an nichts erinnern. Von ihrem Mann Tom für eine Andere verlassen und von ihrem Arbeitgeber gekündigt, flüchtet sich Rachel während ihrer täglichen Zugfahrten in eine Fantasiewelt. Besonders ein junges Paar hat es ihr dabei angetan und sie fantasiert sich in dessen scheinbar perfekt idyllisches Leben – ein Leben wie Rachel selbst es sich wünscht. Doch nichts ist so idyllisch wie es scheint, denn eines Tages verschwindet die Frau, die Rachel jeden Tag beobachtete – ihr Name ist Megan – spurlos. Rachel mischt sich in die Ermittlungen ein und gerät in einen Strudel aus Ereignissen, in denen die Verpflechtungen ihres eigenen Lebens mit dem von Megan nach und nach zutage treten.

Es gibt zweifellos Menschen, die ihr eigenes Leben nicht leben, sondern sich eine Fantasiewelt erschaffen, in der sie ein anderes, perfekteres Leben führen. Und es gibt Menschen, die mehr wollen und auch mit mehr niemals zufrieden sein werden. Menschen, die auf der ständigen Suche nach Selbstbestätigung denken, sie müssen der Mittelpunkt des Universums sein und die dabei ungehemmt Andere verletzen. Und Menschen, die ein glückliches Leben führen und trotzdem in der Lage sind, für einen Kick alles zu zerstören.

Also, psychologisch sicherlich zum Teil tiefgründig – auch schriftstellerisch finde ich das Debüt vielversprechend. Hawkins schafft es, die inneren Konflikte der Protagonistinnen lebhaft und nachvollziehbar darzustellen. Die Sprache ist flüssig, spannend und gut lesbar.

Dennoch, wechselnde Perspektiven und Zeitsprünge können zwar an sich eine gute Idee sein, stören in ihrer Häufigkeit und in der Umsetzung dann doch hin und wieder den Lesefluss. Während das Seelenleben der drei Protagonistinnen gut dargestellt wird, sind die psychologischen Hintergründe der männlichen Charaktere nicht ganz so nachvollziehbar. Als Frau fiel es Hawkins vielleicht leichter, das weibliche Innenleben zu beleuchten.

Ich bin hin und hergerissen wie ich Girl on the train finde und ob ich den Hype nachvollziehen kann. Es ist zweifellos ein solider Thriller und Paula Hawkins hat es schon geschafft mich bei der Stange zu halten. Aber irgendetwas stört mich dennoch und zu 100 Prozent fesseln konnte das Buch mich nicht.

Vielleicht stört mich daran, dass es keiner der Charaktere geschafft hat, das ich ihn/sie so richtig ins Herz schließen konnte. Klar, die ambivalenten Gefühle, die Protagonistin Rachel hervorruft, machen das Ganze irgendwie spannend – eben mal was anderes – und Bücher leben schließlich davon, dass die Protagonisten sich immer wieder in Schwierigkeiten manövrieren. Mal halbwegs sympathisch, aber meistens einfach ziemlich bemitleidenswert habe ich mich für Rachel dennoch zuviel fremd geschämt und fand sie insgesamt zu schwach. Unzählige Wiederholungen der Charakterschwächen ließen einen doch immer mal wieder mit den Augen rollen.

Nach etwa der Hälfte des Buches beschlich mich der Verdacht, wer Täter/in sein könnte, der sich dann auch bestätigt hat (ich will hier nichts vorweg nehmen). Das Buch blieb trotzdem lesenswert – wenn auch nicht bis zur letzten Seite.

Ich muss sagen das ich Gillian Flynns ‚Gone Girl‘, mit dem dieser Thriller ja oftmals auf eine Stufe gestellt wurde, wesentlich besser fand. Dennoch kann ich eine Leseempfehlung für diesen Debütroman aussprechen und werde mir wahrscheinlich auch das nächste Werk von Paula Hawkins kaufen. Alles in allem vergebe ich 3 Sterne.

Buchinformationen

Girl on the train von Paula Hawkins, Blanvalet Verlag, erschienen am 15. Juni 2015 , 448 Seite. 8,49 Euro. 

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Genre: Belletristik, Gegenwartsliteratur, Roman, Thriller
Subjects: Angst, Einsamkeit, Familie, Leben, Leidenschaft, Liebe, Trennung, Verlust

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