Kann man lesen, muss man aber nicht – „Anklage“

Samantha Kofer führt ein erfolgreiches Leben als Anwältin in New York. Doch dann kommt das Jahr 2008 und mit ihm der große Crash an den Finanzmärkten. Nicht nur an der Wall Street verlieren die Leute ihre Jobs, sondern auch scharenweise Anwälte landen auf den Straßen. Plötzlich steht Samantha ohne Job da – und ohne Perspektive… Bis sie in einer Pro-Bono-Anwaltskanzlei im 2000-Seelen-Ort Brady, in Virginia, landet und sich mit den Ängsten und Sorgen der Menschen in der Kohleregion konfrontiert sieht. Hier erlebt Samantha eine Verwandlung, vom Aktenhengst zu einer Anwältin, die nicht länger nur Datenrecherchen für Immobiliengeschäfte durchführt, sondern sich mit echten Menschen und ihren Problemen konfrontiert sieht – und zum ersten Mal im Leben im Gerichtssaal steht. Hin und her gerissen, ob sie in der tiefsten Provinz ihren verlorenen New Yorker Lifestyle betrauern, oder sich über die Sinnhaftigkeit ihrer Aufgabe und ihre neu gewonnene Freiheit ohne 90-Stunden-Woche freuen soll, gerät Samantha unwillentlich in die Machenschaften der Kohleindustrie – und muss plötzlich um ihr eigenes Leben bangen.


Von John Grisham habe ich bereits mehrere Bücher gelesen, aber lange lange ist’s her. „Die Firma“, „Die Jury“ oder „Die Akte“ gehören zu den ersten „Erwachsenenromanen“ die ich gelesen habe – und haben mir damals sehr gut gefallen. Ich mochte den Schreibstil des Autors, der zu den bekanntesten Thrillerautoren der Gegenwart zählt und dessen Justizthriller regelmäßig Schauplatz spannender Konflikte sind. Nicht umsonst wurden seine Bücher zum großen Teil verfilmt – oder?!

Nun habe ich dank dem Gewinn einer LovelyBox den ersten Grisham der letzten 20 Jahre gelesen. In „Anklage“ erfahren die Leser diesmal eine Menge über den Bergkuppentagebau und seine skrupellosen Machenschaften, über die amerikanische Kohleindustrie und ihre furchtbaren Auswirkungen auf Mensch und Natur. Könnte eine gute Story sein. Das Buch lässt sich auch gut lesen und Langeweile kommt nicht auf – soweit trügt mich meine Erinnerung an den Schreibstil des Autors also nicht… Doch irgendwie will auch keine rechte Spannung aufkommen. Viele kleinere und größere Fälle werden angerissen, viele Charaktere gezeichnet… doch ich konnte das große Ganze nicht wirklich erkennen. Die Handlung und auch die Charaktere bleiben oft flach und eben „angerissen“ – und selbst für Protagonistin Samantha will sich bei mir keine rechte Sympathie einstellen. Weder die Liebesszenen, noch die Szenen in der Kanzlei, dem Gericht oder die Beschreibungen über den Raubbau an der Natur haben mich gepackt, waren mir einfach zu nüchtern. Das Ganze endet dann auch recht enttäuschend ohne einen einzigen echten Knaller – und ohne dass ich mich mit einem der Charaktere identifizieren konnte.

Mir drängt sich die Vermutung auf, dass die Romane den Ansprüchen meines 13-jährigen Ich’s noch genügt haben, meinem 34-jährigen Ich jedoch nicht mehr. Oder John Grisham hat sein Talent zum Schreiben in den 80er und 90er Jahren einfach besser genutzt. Ich müsste nochmal einen der Romane von damals lesen, um das herauszufinden.

Mein Fazit: Man kann den Roman lesen, muss es aber nicht. Und ich denke, es werden wieder 20 Jahre ins Land gehen, bevor ich den nächsten Grisham lese… Immerhin hatte ich nicht das Bedürfnis, den Roman abzubrechen und habe mich trotz aller Kritik nicht gelangweilt – von mir gibt’s daher knappe 3 Sterne.

Buchinformationen

Anklage von John Grisham, Taschenbuch, erschienen im Juli 2016, Heyne Verlag, 528 Seiten. 9,99 Euro.

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Über den Autor

John Grisham praktizierte zehn Jahre als Strafverteidiger und politischer Funktionär im Parlament von Mississippi, bevor er 1986 mit „Die Jury“ einen seiner größten Erfolge fertigstellte. Lange Zeit suchte er vergeblich nach einem Verlag und verkaufte in der ersten Auflage nur 5.000 Exemplare. Doch vom Schreiben ließ er sich dadurch nicht abhalten. Erst mit „Die Firma“ gelang ihm 1988 der Durchbruch auf den Bestsellerlisten. Zeitgleich mit „Die Akte“ wurde auch „Die Jury“ nochmal neu aufgelegt. Seit diesem Jahr schreibt der Autor jedes Jahr ein Buch und führt regelmäßig die Bestsellerlisten an. John Grisham lebt zurückgezogen mit siener Frau und den Kindern in Charlottesville, Virginia und Oxford, Mississippi.


Genre: Belletristik, Gegenwartsliteratur, Justizkrimi, Thriller
Subjects: Anwalt, Beruf, Entschädigung, Familie, Finanzkrise, Gesellschaft, Justiz, Kohlindustrie, Krankheit, Leben, Leidenschaft, New York, Skrupellosigkeit, Tagebau, Überzeugung, Umweltverschmutzung, USA, Virginia

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